Der Raphon-Altar

Im Besitz des Förderkreises befindet sich eine im Maßstab 1:2 angefertigte Kopie der erhaltenen Teile des sogenannten „Walkenrieder Altars“, den der südniedersächische Maler Hans Raphon (Rebhuhn) ursprünglich für die Paulinerkirche in Göttingen, seinerzeit Klosterkirche des Augustinerordens, unter dem Einfluss der fränkischen Malschule angefertigt hat. Der Name Raphon taucht um 1500-1550 mehrfach in Göttingen, Northeim und Einbeck auf. Nach Auflösung des Klosters in der Reformationszeit gelangte der Altar in das noch bestehende Kloster Walkenried, wo er zunächst im noch intakten Langhaus der Klosterkirche und nach deren Unbenutzbarkeit im Kreuzgang aufgestellt wurde – für den dann als Kirche genutzten Kapitelsaal war er zu groß. Den im Kreuzgang stehenden Altar hat der Chronist des Klosters und Rektor der evangelischen Klosterschule Heinrich Eckstorm noch gesehen und vollständig beschrieben. 

 

Als die beim Rekatholisierungsversuch aus dem Kloster Kaisheim nach Walkenried gekommenen Mönche das Kloster 1632 nach dem Sieg des Schwedenkönigs Gustav Adolf in der Schlacht bei Breitenfeld fluchtartig und wohl in Richtung Böhmen verließen, nahmen sie den Altar, zum Transport in einzelne Teile zerlegt, mit. Dort verlor sich seine Spur, er galt als verschollen, bis sich einzelne Tafeln in böhmischen Schlössern wiederfanden und anhand der Signatur „Hans R.“ auf einem Gefäß in der Abendmahlsdarstellung die Zuordnung zu Hans Raphon möglich wurde. Von dem ursprünglich sehr großen, so genannten „Wandelaltar“ (weil er sich drei Mal durch das Auf- und Zuklappen bestimmter Tafeln je nach Zeit im Kirchenjahr „umwandeln“ ließ) haben sich nur die Teile mit der Darstellung der Passionsgeschichte erhalten, weswegen der Altar gelegentlich auch als „Passionsaltar“ bezeichnet wird. Von diesen Teilen hat der Förderkreis durch die Narodni-Galerie (Nationalgalerie) in Prag, dem heutigen Aufbewahrungsort, qualitativ hervorragende fotografische Reproduktionen anfertigen und in der vermuteten Anordnung der Tafeln zu einem Abbild der Passionsseite zusammenstellen lassen. 

 

Aus den Reproduktionen geht die Meisterschaft Raphons, der weitere, noch erhaltene Altäre unter anderem für Kirchen in Einbeck, Heiligenstadt und Halberstadt gemalt hat, sehr gut hervor. Auf einige Eigenarten sei hingewiesen. Da ist zum einen die Tatsache, dass stets nur ein Jünger, nämlich Johannes, mit dem Nimbus (Heiligenschein) dargestellt wird. Da ist zum anderen eine nach der damaligen Mode gekleidete, elegante Dame auf mehreren Tafeln, die mit der Passionsgeschichte nichts zu tun hat, aber vielleicht Abbild einer Gönnerin des Augustinerordens ist. Und da ist das wahrscheinliche Selbstbildnis Raphons, der in der Kreuzigungsszene keck hinter dem Kreuz hervorlugt. 

 

Obgleich der Altar nur knapp 100 Jahre in Walkenried gestanden hat, eigentlich für die Paulinerkirche bestimmt war und die letzten 400 Jahre im Böhmischen verbracht hat, wird er als „Walkenrieder Altar“ bezeichnet. Die Paulinerkirche wurde profaniert und dient noch heute in umgebauter Form der Universität in Göttingen. 

 

Die Altarkopie kann derzeit im Archiv des Vereins für Heimatgeschichte in Walkenried, Am Geiersberg 1 (alte Schule) betrachtet werden. Das Archiv ist jeden Dienstag von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Andere Termine können mit dem Vereinsvorsitzenden Michael Reinboth (05525 1550) ausgemacht werden, der auf Wunsch gern auch den Inhalt der einzelnen Tafeln erläutert. 

Zur Präsentation der Replik erschien 2002 ein Artikel im HarzKurier, den Sie hier noch einmal nachlesen können: